Hexen und Flohmarkt in Nördlingen
Samstag 02.08.2025:
Am ersten Ferienwochenende in Bayern führte mich meine Reise von Rosenheim über München und Augsburg in die mittelalterliche Stadt Nördlingen.
Rosenheim wählte ich als Startpunkt, da zwischen Traunstein und Bad Endorf ein Schienenersatzverkehr eingerichtet war. Zudem bietet Rosenheim deutlich mehr Verbindungen nach München. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwies: Obwohl der DB Navigator mir den Zug der Linie Kufstein–München empfahl, entschied ich mich stattdessen für die RE 5, die von Salzburg nach München fährt, und zwar fünf Minuten vor der Abfahrt des RE 54.
Auch diese Wahl war die richtige – so erreichte ich meinen Anschlusszug nach Augsburg völlig entspannt. Ab München verlief die Fahrt nach Nördlingen dann reibungslos.
In Nördlingen faszinierte mich besonders das 16. Jahrhundert, geprägt von den Hexenverfolgungen und den damit verbundenen Prozessen in der Stadt. Um mich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die bedeutenden Schauplätze jener Zeit zu erkunden, nutzte ich – wie so oft – die Lauschtour App. Die Tour beginnt am Löpsinger Tor und führt entlang der Stadtmauer bis hin zu dem Gefängnis, in dem die der Hexerei beschuldigten Personen einst eingesperrt wurden. Im Jahr 1589 nahm die Verfolgungswelle ihren Anfang mit der geistig beeinträchtigten Ursula Haider. In qualvollen Verhören beschuldigte sie mehrere ihrer Wohltäterinnen der Hexerei. Diese Anschuldigungen lösten eine unaufhaltsame Kettenreaktion aus, die schließlich auch vor den Frauen der Stadt nicht haltmachte. Hierbei spielte der gesellschaftliche Status der Frauen keinerlei Rolle. Sowohl Frauen aus einfachen Verhältnissen als auch die Ehefrauen von Bürgermeistern wurden verfolgt. Während der ca. 10-jährigen Verfolgung von Hexen wurden insgesamt 34 Frauen und ein Mann hingerichtet. Die Inhaftierung der Frauen wurde in einem Verließ im Spitzturm in der Stadtmauer durchgeführt. Frauen hatten seinerzeit keine Rechte. Im Mittelalter saßen die Herren im Rat der Stadt, diese sorgten für Recht und Ordnung. Jedoch spielte auch der Aberglaube seiner Zeit eine wichtige Rolle und so waren unter anderem die Kräuterfrauen, sowie gutaussehende und Gebildet Frauen sehr leicht im Fokus der Hexenverfolgung.
Im Kräutergarten an der Gerbergasse können Sie einen historischen Kräutergarten entdecken, der Sie in die Welt des Mittelalters entführt. Hier wachsen verschiedene Kräuter, die damals vor allem für die Herstellung von Salben und Tees unverzichtbar waren. In jener Zeit suchte man bei Krankheit nicht automatisch eine Apotheke oder einen Arzt auf – stattdessen wandte man sich an die Kräuterfrau. Diese Frauen waren hochgeschätzte Persönlichkeiten, denn sie verfügten über ein tiefes Wissen über die heilenden Eigenschaften der Pflanzen und konnten gezielt Medikamente zusammenstellen, die oft zur Genesung führten. Doch nicht immer war ihre Hilfe ausreichend. Wenn ein Patient bereits zu schwach war und trotz der Behandlung verstarb, wurde der Kräuterfrau schnell Misstrauen entgegengebracht. Häufig galt sie dann als Hexe, was tragischerweise dazu führte, dass ihr wertvolles Wissen in Zweifel gezogen wurde.
Das Klösterle, heute Heimat eines Hotels, spielte eine bedeutende Rolle während der Hexenprozesse in Nördlingen. Bis zum Religionswechsel in den Jahren 1523 bis 1525 war es von Mönchen bewohnt, die das Kloster mit dem Übergang zur neuen Glaubensrichtung verließen. Nach ihrem Auszug standen die Mönchszellen leer und wurden später zur Unterbringung der beschuldigten Hexen genutzt. Eine der angeklagten Frauen war Rebekka Lemp, die Ehefrau des städtischen Zahlmeisters. Ihre Briefe, die sie damals an ihre Familie schrieb, sind bis heute im Stadtarchiv erhalten. Die Frauen, die in diesem Kloster untergebracht waren, lebten unter vollständigem Entzug ihrer Rechte. Die Versorgung musste über die Familie von daheim organisiert werden.Ein regelrecht makabres Geschäft entstand rund um die Hexenprozesse, von dem Richter, Gefängniswärter und Stadträte erheblich profitierten. Denn die Opfer dieser Prozesse mussten für jeden Foltergang eine Gebühr bezahlen.
Für die Folter der Hexen gab es einen standardisierten Fragenkatalog mit insgesamt 96 Fragen. Die Folterkammer der Hexenjäger befindet sich im Rathaus hinter einer Holztüre die sich am großen Turm befindet. Dort wurde das sogenannte peinliche Verhör durchgeführt. Abgeleitet wurde dies von dem Wort Pein, welches für Schmerz steht. Die Frauen wurden solange gefoltert bis Sie ein Geständnis abgelegt hatte. Die Folterer hatten eine offizielle Rechtsgrundlage von Kaiser Karl V., er hatten den Einsatz von Folterwerkzeugen für Hexen ausdrücklich erlaubt. Wurde dann ein Urteil gefällt, so wurde dies durch den Bürgermeister oder einen Ratsherrn der Bevölkerung der Stadt mitgeteilt.
Der Fall von Maria Holl im Jahr 1593 sorgte dann für eine Wendung in den Hexenprozessen in Nördlingen. Maria Holl hat insgesamt 62 peinliche Verhöre standhaft überstanden und immer ihre Unschuld beteuert. Aufgrund von Schwäche hatte Sie zwar zweimal gestanden, aber ihr Geständnis unmittelbar widerrufen, worauf Sie selbstverständlich noch stärker gefoltert wurde. Aber ein Geständnis hat Sie nicht abgelegt. Maria Holl hatte jedoch in Ulm einflussreiche Verwandtschaft, welche immer wieder an den Rat der Stadt schrieb. Die Nördlinger rebellierten, gingen auf die Barrikaden. Aber dennoch mussten sie der Rat der Stadt freilassen. Dies war natürlich mehr oder minder ein Schlag ins Gesicht für die Ratsherrn.
Am Weinmarkt findet sich noch weitere Spuren zu den Hexenproessen. So findet sich an diesem Platz auch das Stadtarchiv in den Akten ab dem 13. Jahrhundert archiviert werden. Von besonderer Bedeutung sind vor allem zig Stapel von vergilbten handgeschrieben Akten zu den Hexenprozessen. Besonders gut wurde der Prozess gegen Rebekka Lemp aus dem Jahr 1590 dokumentiert. Die Prozesse gegen die Frauen die der Hexerei beschuldigt wurden, lebten überwiegend an dem Weinmarkt. Entsprechend viele historisch bedeutende Häuser sind dort zu finden.
Neben der informativen und spannenden Lauschtour gibt es in der Stadt noch viele weitere wunderschöne Erlebnisse und Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Ein besonderes Highlight ist der Aufstieg auf den Kirchturm Daniel. Von dort bietet sich Ihnen ein atemberaubender Blick über die gesamte Altstadt von Nördlingen. Ein weiteres besonderes Erlebnis ist die Möglichkeit, Nördlingen bei Nacht zu entdecken – ein Angebot, das in der Zeit vom 19. April bis 27. September an Samstagen um 21:30 Uhr stattfindet. Die Plätze sind auf maximal 12 Personen pro Abend begrenzt, und Tickets sind ausschließlich im Vorverkauf bei der Tourist-Information erhältlich. Ich empfehle Ihnen, sich rechtzeitig Ihre Karte zu sichern, um dieses einzigartige Erlebnis nicht zu verpassen.
Ein Besuch im Stadtmuseum ist absolut empfehlenswert. Hier haben Sie die Gelegenheit, die Geschichte der Hexenprozesse vertieft zu erkunden. Darüber hinaus bietet das Museum eine Vielzahl spannender Ausstellungen zur Geschichte von Nördlingen, die einen Besuch lohnenswert machen.
Eisenbahnfans sollten sich keinesfalls einen Besuch im Bayerischen Eisenbahnmuseum am Hauptbahnhof entgehen lassen. Das Museum begeistert mit faszinierenden Ausstellungen rund um die Welt der Eisenbahn. Zudem gibt es zahlreiche weitere interessante Museen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind und jede Menge kulturelle Highlights bieten.
In der Innenstadt finden Sie zahlreiche Möglichkeiten, sich kulinarisch verwöhnen zu lassen. Ob frisch gebrühter Kaffee, köstlicher Kuchen oder eine Auswahl regionaler und internationaler Speisen – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Am 2. August 2025 fand in der gesamten Altstadt der bezaubernde Altstadt-Flohmarkt statt. Zahlreiche größere und kleinere Stände luden Besucher dazu ein, in einer bunten Vielfalt an Waren zu stöbern. Trotz des wechselhaften Wetters zog der Markt viele Menschen an, die das lebhafte Treiben in der Altstadt genossen.
In meiner Fotogalerie können Sie einen ersten Eindruck von der außergewöhnlichen Schönheit dieser Stadt gewinnen. Nördlingen ist definitiv eine Reise wert – nehmen Sie diese faszinierende Stadt unbedingt in Ihre persönliche Reiseplanung auf!
Alles in allem lässt sich sagen, dass ein Besuch in der Stadt Nördlingen definitiv lohnenswert ist – sei es für einen Tagesausflug oder einen längeren Aufenthalt.
Auch ich werde sicherlich noch einmal einen Ausflug nach Nördlingen unternehmen, um weitere Facetten der Stadt zu entdecken. Gerne nehme ich Sie dann wieder mit auf meine Reise.