Memmingen - Stadt der Freiheitsrechte
Samstag 08.03.2025:
Zum Weltfrauentag habe ich mich entschieden, die "Stadt der Freiheitsrechte" in Memmingen im Allgäu zu besuchen.
Im Jahr 1525 wurden dort die sogenannten 12 Artikel verfasst – ein bahnbrechendes Werk, das sich mit den Themen Freiheit, Menschenwürde und Gleichberechtigung auseinandersetzte. Diese Schrift gilt als die erste Formulierung von Grund- und Menschenrechten in Europa. Zum 500. Jubiläum im Jahr 2025 sind zahlreiche Veranstaltungen geplant, die diesen historischen Meilenstein würdigen werden. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall – lassen Sie sich von der Stadt inspirieren!
Ich selbst habe am Samstag den Lauschtour-Stadtrundgang in Memmingen ausprobiert. Der Rundgang beginnt direkt auf dem Marktplatz – ein idealer Startpunkt, um die Stadt zu erkunden.
Der Marktplatz beeindruckt mit historischen Gebäuden wie dem Rathaus, dem Großzunfthaus und dem Steuerhaus. Jedes dieser Bauwerke erzählt seine eigene Geschichte und macht den Besuch in Memmingen zu einem besonderen Erlebnis.
Das Rathaus verkörpert mehr als nur ein Gebäude – es ist ein steingewordenes Symbol für den Stolz der Bürger auf ihre freie Reichsstadt. Direkt daneben befindet sich das Großzunfthaus, das einst als eigentliche Machtzentrale der Patrizier diente. Als Zeichen ihrer Macht wählten die wohlhabenden Stadtadeligen den Löwen als Symbol. Nicht weit davon entfernt steht das prachtvoll bemalte Steuerhaus, das im Mittelalter die Funktion eines Finanzamts hatte. Interessanterweise stammt die beeindruckende Fassadenbemalung nicht aus der Entstehungszeit des Gebäudes im Jahr 1495, sondern wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Rosa von Zoller, einer Adligen, die an diesem Platz lebte, gestaltet.
Unweit des Marktplatzes befindet sich die Blaue Saul. Dieser Ort soll einst der erste Richtplatz des Gerichtsbezirks Memmingen gewesen sein. Warum die Säule blau ist, erklärt eine Legende: Ein Ratsherr, der so betrunken war, dass er sich an die Säule lehnen musste, soll der Grund dafür sein. Der Überlieferung nach nahm die Säule daraufhin eine blaue Farbe an.
Ein weiteres Highlight der Stadt ist die Kirche St. Martin. Hier kann man an der Turmuhr ein beeindruckendes Gemälde bewundern. Das Porträt, das zwischen zwei Löwen gut sichtbar ist, soll ursprünglich König Konradin darstellen, der im 13. Jahrhundert über Schwaben herrschte. Doch die weichen Gesichtszüge des Porträts führten dazu, dass viele Memminger darin eher die heilige Hildegard erkennen. Dieses Bildnis wurde im Laufe der Zeit zu einem der Wahrzeichen der Stadt.
Der Kirchturm ist ein beeindruckendes Zeugnis aus dem Mittelalter und verrät viel über seine damalige Funktion. Neben seiner religiösen Bedeutung diente er auch der Sicherheit der Stadt. Vom Balkon aus konnte der Türmer die Umgebung überwachen und bei drohenden Gefahren warnen. Unweit der Kirche befindet sich der Herrmannsbau, Heimat des Stadtmuseums. Aufgrund von Umbauarbeiten ist derzeit nur ein kleiner Teil der Ausstellungen zugänglich, doch ein Besuch lohnt sich dennoch.
Ein besonderes Highlight ist das Fresko an der Kinderlehrkirche, die im 14. Jahrhundert vom Antoniterorden erbaut wurde. Ganz in der Nähe befindet sich das Antonierhaus, das bis ins 16. Jahrhundert als renommierte Fachklinik diente. Hier behandelte man das sogenannte Antoniusfeuer, eine durch das Mutterkorn, einen giftigen Pilz, ausgelöste Krankheit.
Auch die Fugger spielten im 16. Jahrhundert eine Rolle in der Geschichte Memmingens. Sie errichteten dort ein Filiallager für ihr globales Handelsimperium. Im Jahr 1630, während des Dreißigjährigen Krieges, zog der kaiserliche General Wallenstein in dieses Gebäude ein, wodurch Memmingen kurzfristig zum Zentrum europäischer Diplomatie wurde. In unmittelbarer Nähe des Fuggerbaus lädt ein kleiner Park mit einer Ritterstatue zum Verweilen ein. Die Statue zeigt Herzog Welf VI., den Gründer der Stadt.
Besonders spannend ist die Kramerzunft. In diesem historischen Gebäude wurden die Zwölf Memminger Artikel verfasst, ein bedeutendes Dokument der deutschen Verfassungsgeschichte. Im zweiten Stock befindet sich noch heute der Versammlungsraum, in dem sich damals etwa 50 Bauernvertreter aus dem Allgäu und Oberschwaben trafen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Das Ergebnis war eine der größten Freiheitsbewegungen Deutschlands. Leider wurde diese Bewegung brutal niedergeschlagen, und über 100.000 Menschen starben bei den Bauernaufständen. Dennoch legten die Zwölf Artikel einen wichtigen Grundstein für die demokratische Entwicklung Deutschlands.
Während in Venedig der Canale Grande ein Wahrzeichen ist, spielt in Memmingen der Stadtbach eine zentrale Rolle. Früher war er für Handwerker wie Gerber, Färber und Weber unersetzlich, da diese Gewerke einen hohen Wasserbedarf hatten. Damals stand die Funktionalität des Baches im Vordergrund. Heute jedoch ist er ein malerischer Rückzugsort für Bewohner und Besucher der Stadt, der zur Erholung einlädt.
Der Stadtbach lädt zum Verweilen ein, und es lohnt sich, in eines der Cafés oder Gaststätten direkt am Wasser einzukehren. Ein besonderes Highlight ist der jährliche Fischertag: An diesem Tag werden die im Herbst eingesetzten Forellen gefangen, und der Bach wird anschließend trockengelegt, um ihn von Unrat zu befreien. Früher wurde der Bach auch als Müllentsorgung genutzt, doch heute hat sich die Wasserqualität deutlich verbessert.
Ein weiterer bedeutender Ort in Memmingen ist der Schrannenplatz. Hier befindet sich unter anderem der Fischerbrunnen mit dem traditionellen Fangnetz, das am Fischertag verwendet wird. Außerdem finden Sie hier das traditionsreiche Wirtshaus zum Goldenen Löwen. An dessen Fassade prangt eine Kanonenkugel aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Sie erinnert an die Belagerung von Memmingen, das kurioserweise einst zum Königreich Schweden gehörte und sechs Wochen lang von bayerischen Truppen mit rund 6.000 Kanonenkugeln beschossen wurde. Diese Kanonenkugel symbolisiert die bewegte Geschichte der Stadt.
In unmittelbarer Nähe zum Schrannenplatz liegt die evangelische Kirche „Unser Frauen“. Ihre Ursprünge reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Besonders sehenswert ist das Einhorn-Relief an der Kirche, ein faszinierendes religiöses Fabelwesen. In der christlichen Mythologie gilt das Einhorn als Symbol für die Jungfrau Maria. Es wird als scheues, wildes Urtier beschrieben, das im Schoß einer Jungfrau zahm wird. Diese Symbolik hat auch in Memmingen Spuren hinterlassen: So gibt es in der Stadt die berühmte Einhorn Apotheke, die an den Mythos erinnert, dass das Pulver eines Einhorns unvorstellbare Kräfte haben soll und ein funkelnder Stein unter seinem Horn alle Krankheiten heilen könnte.
Eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt Memmingen ist das Siebendächerhaus, das bereits seit dem Jahr 1601 die Stadt prägt. Das Gebäude besitzt insgesamt sieben Dächer – drei auf jeder Seite und eines obenauf. Diese besondere Architektur hatte eine praktische Funktion: Die Dächer waren ursprünglich offen gestaltet, um Leder optimal trocknen zu können. Dank des konstanten Luftzugs herrschten in den Dachböden gleichmäßige Temperaturen, wodurch das Leder geschützt vor Witterungseinflüssen und direkter Sonneneinstrahlung getrocknet werden konnte.
Am Weinmarkt befindet sich der Memminger Freiheitsbrunnen, ein Denkmal, das sich mit dem zentralen Thema der Stadt – der Freiheit – auseinandersetzt. Der Brunnen ist reich an Symbolik: Zwölf Bronzeplatten, die in die Konstruktion integriert sind, symbolisieren die Zerbrechlichkeit und den Schutz der Freiheit. Besonders im Sommer entfaltet der Brunnen seine tiefere Bedeutung, wenn feiner Wassernebel aufsteigt und die Vergänglichkeit der Freiheit spürbar macht. Er erinnert daran, dass Freiheit leicht verloren gehen kann, ähnlich wie der sich auflösende Nebel.
Ein wichtiger Bestandteil der Geschichte Memmingens ist der Handel, insbesondere der Salzhandel. Die Stadt war ein bedeutender Knotenpunkt auf der Salz-Handelsstraße, die von Bad Reichenhall bis in die Schweiz führte. Ein eindrucksvolles Relikt dieser Zeit ist der Salzstadel aus dem 15. Jahrhundert, der die Bedeutung des Salzhandels für die Region eindrucksvoll widerspiegelt.
Besonders spannend ist der Hexenturm, der ursprünglich den Namen "Ehebrecherturm" trug. In früheren Zeiten mussten Menschen, die des Ehebruchs überführt wurden, zwei Wochen lang bei Wasser und Brot in diesem Turm verbringen. Wiederholte Vergehen wurden sogar mit der Todesstrafe geahndet. Heute ist der Turm auch als "schiefer Turm von Memmingen" bekannt. Bei Bauarbeiten in den 1960er Jahren kam es zu Setzungen, die den Turm in Schieflage brachten. Mittlerweile wurde er stabilisiert und ist sicher. Direkt neben dem Turm steht das kleinste Wohnhaus der Stadt, das ebenfalls einen Besuch wert ist.
Memmingen hat wirklich einiges zu bieten! Die Lauschtour dauert rund eine Stunde und umfasst etwa 2 Kilometer. Die Strecke ist leicht begehbar, da es kaum bis gar keine Steigungen gibt.
Die Stadt hat mich besonders durch ihren Charme beeindruckt. Die zahlreichen kleinen Parks und der idyllische Bach, der sich mitten durch die Stadt schlängelt, laden zum Verweilen ein. Auch der Handel in Memmingen ist erwähnenswert. Jeden Dienstag- und Samstagvormittag findet auf dem Marktplatz der Wochenmarkt statt, wo Sie frische regionale Produkte kaufen können.
Für die Anreise empfehle ich Ihnen unbedingt die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Altstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten ist vom Bahnhof aus in etwa 10 Minuten bequem zu Fuß erreichbar. Zudem ersparen Sie sich die lästige Suche nach einem Parkplatz sowie die Parkgebühren in der Innenstadt.
Auf meinen Fotos können Sie sich einen ersten Eindruck von dieser wunderbaren Stadt verschaffen. Besonders schön zeigt sich Memmingen im herrlichen Frühlingswetter im März. Ich bin sicher, dass es auch im Jahr 2025 viele Gelegenheiten geben wird, diese Stadt in all ihren Facetten zu erkunden.