Günzburg
Samstag 14.06.2025:
Ich habe mich auf eine Reise mitten ins Bayrische Schwaben begeben, um ein Stück Österreich zu entdecken – genauer gesagt, um selbst zu erleben, welche österreichischen Einflüsse in der Stadt Günsburg sichtbar sind. Laut der Lauschtour-App verwandelte sich die historische Altstadt Günsburgs unter der Regentschaft der Habsburger in ein "Klein-Wien". Die Lauschtour führt Sie zu spannenden Sehenswürdigkeiten in der Stadt, darunter auch die prächtige Frauenkirche, die es unbedingt zu bestaunen gilt.
Der Startpunkt der Lauschtour liegt am Schlossplatz, wo sich heute das Rathaus und die Tourist Information befinden. Dort erfahren Sie spannende Details zur Geschichte des Schlosses und zum Bauboom unter Kaiserin Maria Theresia.
Ab 1764 wurde hier eine bedeutende Münzprägestätte der Habsburger errichtet, in der die berühmten Maria-Theresien-Taler geprägt wurden.
Dieses Zahlungsmittel war bis 1945 sogar in Äthiopien offiziell im Umlauf und wird bis heute in Wien für Sammler hergestellt.
Die Hofkirche ist eines der wenigen Überbleibsel des im 16. Jahrhundert erbauten Schlosses. Direkt neben der Hofkirche befindet sich ein prächtiger Rokokobau, der einst als Klosterschule für Jungen diente. Heute beherbergt dieses historische Gebäude das Stadtmuseum, das mit spannenden Ausstellungen die Geschichte der Region näherbringt.
Die Stadttour führt weiter zum Unteren Tor und dem humorvoll bekannten „s´Fridla“. Dieser Stein entstand in den 1980er Jahren durch den Streich zweier Männer, die damit die Rivalität zwischen der Oberstadt und der Unterstadt auf humorvolle Weise darstellen wollten. Der Begriff „Fridla“ bedeutet im Hochdeutschen „Hintern“ und symbolisiert, wie die Oberstadt der Unterstadt sprichwörtlich den Rücken zukehrt. Die Oberstadt, unter den Habsburgern prächtig ausgebaut, genoss lange Zeit den Ruf, etwas Besseres zu sein. Heute ist der Stein ein beliebter Halt bei Stadtführungen, da seine Entstehungsgeschichte Besucher häufig zum Schmunzeln bringt.
Wenn Sie den Blick nach oben richten, entdecken Sie das Wahrzeichen der Stadt: das Untere Tor mit seinem markanten Turm. Im Mittelalter spielte dieses Tor eine zentrale Rolle. Zum einen wurde hier der Pflasterzoll erhoben, den Reisende zahlen mussten, um die Stadt betreten zu dürfen. Zum anderen war im Turm die Wohnung des Türmers untergebracht. Der Türmer hatte die wichtige Aufgabe, über die Stadt zu wachen. Jede Stunde meldete er sich, um den Bürgern zu signalisieren, dass er wachsam ist und für ihre Sicherheit sorgt. Bei Gefahren wie Feuer oder feindlichen Angriffen schlug er Alarm, um die Stadt rechtzeitig zu warnen.
Der Marktplatz, mit dem ehemaligen Gasthaus zur Krone, liegt nur wenige Schritte vom Unteren Tor entfernt. Seit 1397 wird hier der Wochenmarkt abgehalten. Doch dieser Platz ist weit mehr als nur ein historischer Marktplatz – besonders im Sommer zieht er Besucher in seinen Bann, wenn sich das längste Straßencafé der Region entfaltet.
Im 18. Jahrhundert war der Marktplatz ein pulsierendes Zentrum, da Günzburg eine bedeutende Postverbindung zwischen Paris und Wien darstellte. Damals säumten 19 Gaststätten den Platz, von denen viele das Braurecht besaßen. Die beste Adresse der Stadt war das Haus mit den goldenen Kronen über den Fenstern – das Gasthaus zur Krone. Hier übernachtete die Prominenz: 1781 der österreichische Kaiser Joseph II und 1805 sogar Napoleon. Letzterer hinterließ jedoch keinen guten Eindruck, da er seine Rechnung nicht beglich und die Stadt zudem an Bayern angliederte. Symbolisch wurde diese Rechnung erst 1989 bei einem Besuch von François Mitterrand und Helmut Kohl beglichen, als Mitterrand eine Münze überreichte.
Auch heute ist der Marktplatz ein lebendiger Treffpunkt und ein Ort zum Genießen. Ob in einem der gemütlichen Restaurants oder in einem Café – hier können Sie mitten in der Stadt das Leben in vollen Zügen erleben.
Der Wochenmarkt bleibt ein Highlight, das mit frischen Produkten aus der Region lockt – eine wunderbare Gelegenheit, regionale Köstlichkeiten zu entdecken.
Unweit des Marktplatzes befindet sich ein weiterer wichtiger Turm der Stadt: der Kuhturm. Seinen Namen verdankt er seiner damaligen Funktion: Die Gastwirte am Marktplatz hielten Kühe, um ihre Gäste stets mit frischer Milch und Butter zu versorgen. Da es oben in der Stadt keine Weideflächen gab, wurden die Kühe tagsüber durch diesen Turm auf die Weide getrieben.
Auffällig ist das Dach des Turmes, das mit grünen Dachziegeln gedeckt wurde. Diese Ziegel sollten aus der Ferne den Eindruck erwecken, als sei das Dach mit Kupfer gedeckt – ein cleverer Trick, um die Stadt wohlhabender wirken zu lassen, als sie tatsächlich war.
In direkter Nähe zur Top-Sehenswürdigkeit der Stadt Günzburg befindet sich das Maria-Ward-Gymnasium, das ebenfalls auf die Zeit von Maria Theresia zurückgeht.
In der nahegelegenen Frauenkirche, einer der herausragenden Sehenswürdigkeiten der Stadt, können Sie die beeindruckende Pracht des Barock und Rokoko in ihrer vollen Schönheit erleben.
Ein willkommener Nebeneffekt an besonders heißen Tagen ist die angenehme Kühle, die Sie in der Kirche erwartet. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall! Hier können Sie nicht nur die beeindruckende Kunst bewundern, sondern auch zur Ruhe kommen und neue Energie für den oft hektischen Alltag tanken.
Frisch gestärkt können Sie sich dann auf den Weg zur historischen Stadtmauer und dem charmanten Frauengässchen machen. An der Stadtmauer erwartet Sie ein faszinierender Nachbau des hölzernen Wehrgangs, der früher die gesamte Oberstadt umschloss. Im Frauengässchen können Sie die geniale Bauweise der früheren Günzburger bestaunen: Häuser wurden direkt an die Stadtmauer gebaut, sodass nur drei Mauern errichtet werden mussten. Zudem ragen die oberen Stockwerke strategisch nach vorne, um Grundfläche zu sparen und Steuern zu reduzieren – ein kreativer Einfall mit praktischem Nutzen!
Am Marktplatz erwartet Sie das eindrucksvolle Brentanohaus, ein prachtvolles Rokoko-Gebäude, das um 1750 von einer der wohlhabendsten Kaufmannsfamilien Norditaliens erbaut wurde. Die Familie zog vom Comer See nach Günzburg, um mit hochwertigen Leinenstoffen Handel zu treiben. Der imposante Torbogen im Erdgeschoss zeigt eindrucksvoll, wie groß die Fuhrwerke gewesen sein müssen, die hier einst ankamen. Heute beherbergt das Brentanohaus eine Filiale der Sparkasse, doch die prunkvolle Geschichte des Hauses bleibt spürbar.
Nun kommen wir zu einem Kapitel der Geschichte der Stadt Günzburg, das weniger erfreulich ist. Der Dossenberger Hof, ein Bauwerk, das durch seine schlossähnliche Architektur auffällt, wurde im Jahr 1781 im Auftrag des österreichischen Kaisers errichtet, um als Kasernengebäude der Garnisonsstadt zu dienen. In den 1930er Jahren beherbergte dieses Gebäude ein Gymnasium. Dort legte Josef Mengele, dessen Name untrennbar mit Gräueltaten verbunden ist, sein Abitur ab. Zum Gedenken an die Opfer Mengeles wurde später ein Mahnmal geschaffen.
Das Mahnmal wurde von jungen Menschen entworfen und besteht aus insgesamt 174 Augen. In der Lauschtour-App kommt die Kunstlehrerin Brigitte Tschörner zu Wort, die damals maßgeblich an der Entstehung beteiligt war.
Über das Projekt sagt sie:
„Die Stadt sagte: Das Werk soll von jungen Erwachsenen gemacht werden, die irgendwann im Leben Verantwortung übernehmen und auch die Vergangenheit aufarbeiten können. Die Schüler hatten völlig freie Hand, aber schon bald kristallisierte sich heraus, dass die Augen Faszinierende sind – aus verschiedenen Gründen.
Die Schüler wussten, dass der KZ-Arzt Mengele üble Experimente grausamster Art an Menschen verübt hatte. Unter anderem hatte er eine Augenforschung betrieben und zu diesem Zwecke wehrlose Sinti- und Roma-Kinder und -Familien getötet, um mit den Augen zu experimentieren.
Der zweite Grund ist, dass das Auge ein faszinierendes Sinnesorgan ist, das am unmittelbarsten die Gefühle und Gedanken der Menschen transportieren kann.
Und nicht zuletzt sollte auch jeder Schüler sein Auge eigenhändig formen, und deswegen brauchten wir eine große Menge an Augenblicken, die den Betrachter fesseln sollten, mit ihm in Beziehung treten, zurückschauen – wir schauen sie an. Wir haben uns dann entschlossen, die Augen in Ton zu formen. Über verschiedene Schritte wurden sie später in einer Gießerei umgesetzt in einem Bronzeguss.“ Quelle
Der Text, der im Zentrum des Kunstwerks zu lesen ist, stammt von Jean Améry, einem Schriftsteller und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Am Ende des Lauschtors gelangen wir zum Wätteplatz. Der Begriff „Wätte“ leitet sich vom Waten ab. Im 18. Jahrhundert hätten Sie an dieser Stelle vermutlich im Wasser gestanden, da hier der Stadtbach quer über den Platz verlief. Es war der Ort, an dem die Postpferde gewaschen wurden. Was dort später bis in die 1960er-Jahre stattfand, können Sie an den Figuren des Brunnens erkennen: An diesem Platz wurde der Ferkelmarkt abgehalten. Außerdem haben Sie hier die Gelegenheit, die schwäbische Mundart näher kennenzulernen.
Ein prägendes Merkmal der Altstadt ist, dass die Straßen alle rechtwinklig aufeinandertreffen. Die quadratische Struktur erinnert an ein Schachbrett, weshalb diese Bauweise auch als „Habsburger Schachbrett“ bezeichnet wird.
Ein Tagesausflug nach Günzburg ist absolut empfehlenswert. Genießen Sie das lebendige Stadtleben, und lassen Sie sich von den zahlreichen Möglichkeiten zum Essen und Trinken begeistern. Auch der Einzelhandel ist in Günzburg stark vertreten. Wenn Sie türkische Spezialitäten einkaufen möchten, lege ich Ihnen den Supermarkt „Burak“ ans Herz. Dieser befindet sich in der Dillenburger Straße 5, und das freundliche sowie hilfsbereite Personal macht den Besuch besonders angenehm.
Mit meinen Fotos möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick in die Schönheit der Stadt gewähren.
Mein Tipp: Steigen Sie einfach einmal in den Zug, besuchen Sie Günzburg, und lassen Sie sich von der Stadt verzaubern!
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